Institut für Theoretische Physik
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Komplexe Systeme

Ein anderer Zweig der modernen Physik kondensierter Materie beschäftigt sich mit Systemen, die traditionell oft gar nicht zur Physik gerechnet wurden, wie beispielsweise lebende Zellen und Nervennetzwerke, aber auch Systeme mit komplex aufgebauter Materie, beispielsweise Polymeren, Membranen und granularen Materialien. Mit diesen kommen wir zwar im Alltag häufig in Berührung (Holz, Sand, Blut und Teig gehören dazu); ihre vielfältigen und oft verblüffenden Eigenschaften lassen sich aber bisher nicht alle befriedigend auf physikalische Grundgesetze zurückführen. Sie sprengen den Rahmen der Theorie kondensierter Materie, die für einfache Flüssigkeiten und ideal aufgebaute Kristalle entwickelt wurde. Selbst die scheinbar klare Unterteilung zwischen "fest" und "flüssig" verliert bei komplexen Materialien manchmal ihre Bedeutung. Ist zum Beispiel Sand flüssig, weil er durch eine Sanduhr rinnt oder ist er fest, weil man darauf stehen kann ?

Computersimulation eines eindimensionalen, granularen Systems. Auf der y-Achse ist die Position im "Rohr" aufgetragen, auf der x-Achse die Zeit (jeweils in dimensionslosen Einheiten). Helle Regionen kennzeichnen hohe Teilchendichte.
Die Physik komplexer Systeme versucht die komplizierten Eigenschaften von Materie auf das Zusammenwirken sehr vieler, einfacher Teilchen nach einfachen Regeln (den physikalischen Grundgesetzen) zurückzuführen. Die dabei verwendeten Methoden führen zu Wahrscheinlichkeitsaussagen über physikalische Eigenschaften. Diese Arbeiten werden der sogenannten "statistischen Physik" zugerechnet, einer grundlegenden physikalischen Theorie, deren mathematische Strukturen in einer weiteren Arbeitsgruppe des Instituts untersucht werden, die wir weiter unten vorstellen.

Die Abbildung zeigt als Beispiel unserer Arbeiten eine Computersimulation eines eindimensionalen, granularen Systems ("Steine im Rohr"). Man erkennt leicht das Entstehen und das Zerfallen von Bereichen hoher Dichte ("Zusammenklumpen"), aber erst viele solche Einzelsimulationen erlauben Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden, quantitativen Gesetze. Bei den Forschungen auf dem Gebiet der Physik komplexer Systeme liegen Anwendungen (Werkstoffe, neue Computerarchitekturen) und Grundlagenforschung (z.B. Erklärung biologischer Funktionen aus physikalischen Gesetzen) oft sehr eng beieinander.


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Last modified: Mon Jun 11 12:50:17 CEST 2001